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Was hat Sie an Berlin interessiert?
Der Film zeigt meinen ganz eigenen Blick auf
die Stadt. Ich wollte weniger ein Portrait über Berlin drehen, vielmehr ging es mir
um die urbanen Muster und Mechanismen
im Allgemeinen. Das heutige Berlin veran-schaulicht für mich in vielerlei Hinsicht Ent-wicklungen,die man überall in Großstädten
sehen kann, wie z.B. am Potsdamer Platz
und bei den Neubausiedlungen im Speckgürtel.
Mein Ziel war es, Strukturen des städtischen Umfeldes und die Verbindungen der Menschen mit dem urbanen Raum sichtbar zu machen.
Im Film gibt es keine Hauptfiguren
und keine Geschichte. Wie sind Sie konzeptionell vorgegangen?
Es gab ein offenes Konzept; ich wollte nicht Bilder zu einem Film über Berlin drehen, die man schon vorneweg im Kopf hat. Ich wollte auch keinen Film über Berlin machen, der zeigt, wie anonym und brachliegend oder
wie spannend und chaotisch diese Großstadt ist. Bei meinen Beobachtungen des Stadtlebens sollten mich also nicht Thesen, sondern meine eigene Neugierde leiten: Was ergibt sich aus all dem, was ich in Berlin sehe und erlebe, in den Straßen, den Gesichtern, der Architektur, den Ereignissen? Welches Stadtbild vermittelt das gegenwärtige Berlin?
Wie haben Sie den Film gedreht?
Ich machte mit einem kleinen Team in mehreren Drehphasen über das Jahr 2000 verteilt dokumentarische Filmaufnahmen an ausgewählten Drehorten, die für mich eine Annäherung an das Stadtleben und dessen
repräsentative Kräfte darstellten. Dabei
nahm ich mir die Freiheit, mich abwartend zu verhalten und erst einmal zu vergessen,
was ich dort zu finden glaubte. Da wir nur
zu dritt waren und genug Zeit hatten, konnten wir uns meist problemlos in die jeweilige vorhandene Situation integrieren.
So entstanden überraschende Aufnahmen bei unterschiedlichen Ereignissen wie z.B. Präsidentenvisiten,Maidemonstrationen und
Erotikmessen. Dabei richtete sich meine Aufmerksamkeit verstärkt auf Szenen,
die man aus den Medien kennt sowie auf Alltägliches und scheinbar Nebensächliches.
Ich nahm mit der Kamera einen Standpunkt ein, der quasi oft nur einen Schritt neben dem der Medienvetreter war. Diese geringe
Perspektivverschiebung eröffnete mir einen
neuen Blick auf die Realität der Ereignisse
und Schauplätze.
Deshalb auch der distanzierte Blick
der Kamera?
Aus der Distanz habe ich ein weiteres
Blickfeld, sehe auch das, was man sonst
schnell übersieht. Und es ist auch eine typische Beobachterposition.
Der distanzierte Blick fordert weder Zu-stimmung noch Ablehnung, sondern öffnet einen Zugang zum Gesehenen, durch den eine Verbindung mit den eigenen Geschichten des Betrachters ermöglicht wird. Der Zuschauer kann seinen Standpunkt und seine Perspektive innerhalb der distanzierten Blickweise der Bilder verschieben. Er ist nicht nur Betrachter der Bilder, sondern findet sich auch in der Rolle des Betrachters wieder.
Immer wieder gibt es Szenen, die inszeniert wirken?
Das, was man sieht, ist immer authentisch, doch die Form der Bilder ist inszeniert.
Es war für mich sehr spannend,
Realaufnahmen zu machen und gleichzeitig
Bilder zu komponieren, die über die Dokumentation der Geschehnisse und Orte hinausgehen. Die Komposition der Bilder prägt den Inhalt des Films. Ausschnitt, Formen, Dauer, Strukturen und Muster sowie Reduktion dominieren die Bilder.
Das Bekannte wird fremd, es tritt nicht nur Ordnung und Struktur zutage, sondern auch Irritation, das Paradoxe, Ironie und das Zufällige.
Nach welchen Aspekten wurde der Film montiert?
Die gesammelten Fragmente von
Geschichten kombinierte ich neu, um mit einem Netz aus Assoziationen und Verweisen Erzählungen zu schaffen, die in ihrer Offenheit nach außen dringen können, in die Welt des Betrachters. Das bedurfte eines
geduldigen Prozesses des Ausprobierens; sich eröffnende Möglichkeiten des Erzählens
wurden so ausgelotet. Die komponierte Form der Bilder ermöglichte eine Montage, die mit szenischen Auflösungen spielt, wie man sie aus Spielfilmen kennt. In Verbindungen mit den gleitenden Kamerafahrten und langen, ruhigen Einstellungen wollte ich ein suggestiven Sog erzeugen, der durch ein urbanes Panorama führt, das man so noch nicht gesehen hat.
Dabei spielt auch das Sounddesign und die Musik eine entscheidende Rolle?
Die Musik ist für mich nicht emotionale Begleitung, sondern eher ein Multiplikator für die Inhalte der Bilder. Die Gestaltung von Musik und Sounddesign wurde über mehrere Stadien von Tim Elzer entwickelt. Zu den Bildern des Staatsbesuchs hört man das Stimmen eines Orchesters, doch sie kommen im Film nie dazu, ein Stück zu spielen. Letztendlich erhielt der Film durch die intensive Auseinandersetzung mit Bild, Montage und Ton seinen ganz eigenen Blick.
Wie ist der Filmtitel zu verstehen?
Da gibt es den romantischen Begriff des Großstadtparadieses. Mit so etwas werben Immobilienfonds, die Wohnsiedlungen und Büroareale bauen, wie man sie zu Beginn des Filmes sieht. Die Straßen haben dort so verheißungsvolle Namen wie Promenadenweg. Ähnlich wie der Film lassen diese Unternehmen viele Erwartungen der Menschen an ihren Lebensraum ins Leere laufen. So führt das Unternehmen Paradies den Zuschauer in eine neue, widersprüchliche Stadt. |
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